Die Literatur - Beteiligte Autoren

 

 

 

 

 

 

 

 

Blutiger Asphalt

 

Der Gatte nervt sie lange schon,

 

drum wirft sie diesen vom Balkon.

 

Er stürzt und schreit und knallt

 

mit Wucht auf den Asphalt.

 

 

 

Im Regen spiegelt sich das Blut –

 

und reflektiert das Licht sehr gut.

 

Es leuchtet, schimmert wunderbar,

 

ein Tod, der nicht vergebens war.

(C) Maja Vandenwald

 

Westfälische Provence 

Als wir Studenten waren, sind mein Mann und ich mal im Herbst nach Südfrankreich in die Provence gereist. In den Alpen, die wir mit unserem betagten orangefarbenen Käfer durchquerten, war es schon bitterkalt. Nie vergesse ich, wie wir dann Sisteron erreichten und auf einmal alles anders war: Die Luft war mild und duftete nach Süden, die Sonne wärmte noch, und Menschen saßen bis spät abends draußen auf den Plätzen vor den Bars und Cafes. 

Wir fuhren weiter und landeten schließlich in einem verschlafenen Dorf am Lac d'Esparron, wo es einen Campingplatz gab. Glückliche Tage folgten, in die wir hineinlebten, ohne daran zu denken, was war und was werden würde. Eigentlich habe ich mich danach nicht mehr oft so leicht gefühlt und so frei auch nicht. Am Abend vor unserer Rückreise standen wir Hand in Hand vor der Dorfkirche und wollten eigentlich gar nicht mehr weg. Ach, vielleicht..., dachte ich und kämpfte gegen die Tränen an. Vielleicht würde ich irgendwann zurückkehren und hier, wo mir alles besser zu sein schien, bleiben und für immer leben dürfen. Vielleicht konnte ich für diesen winzigen französischen Ort endlich einmal empfinden, was ich Zeit meines bisherigen Lebens noch nicht empfunden hatte: Das Gefühl, genau hierhin zu gehören. 

Es kam anders. 

Berufliche und damit verbundene geographische Irrungen und Wirrungen wehten uns hierhin und dorthin. Bis wir uns, vor nun fast 17 Jahren, endgültig nicht im südlichen Frankreich niederließen (...), sondern... nun ja... eben hier, mitten in Westfalen. Genau gesagt strandeten wir in einer von ihren Einwohnern liebevoll „die Börde“ genannten Region rund um die Stadt S. . Das 700-Seelen-Dorf, in dem wir seither wohnen, ist ebenso unspektakulär wie weit weg von jenem Ort am Lac d'Esparron. Ähnlichkeiten mit Landschaft, Klima und Architektur gibt es auch eher nicht. Und doch: Es ist Unerhörtes mit mir geschehen! Ich beginne mittlerweile nämlich zu ahnen, dass ich es vermissen würde, wenn ich hier eines Tages nicht mehr leben würde. (...) 

Das Empfinden von ... nun ja ... nenne ich es ruhig einmal „Heimat“, ist relativ neu für mich. Wenn ich näher darüber nachdenke, was mir fehlen würde, zöge ich tatsächlich einst wieder weg, fällt mir ein: Der Himmel hier auf dem Land, der so viel größer zu sein scheint als der über der nahegelegenen Stadt, in der ich arbeite. Jeden Tag, wenn ich nach Hause fahre, fällt mir das auf und zu jeder Jahreszeit. Ich sehe beim Nachdenken auch die Rapsfelder vor mir und die blühenden Obstbäume im Mai und meine Kinder, die als sie klein waren mal im Sommerregen durch unseren Garten getanzt sind. (...)

 

aus: Adele Stein, Westfälische Provence und andere Geschichten (2013)